Heimatbuch

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Es ist wohl eine Verkettung günstiger Umstände im Laufe der Jahrhunderte, dass das Wirken der Herren auf Rannariedl in weiten Gebieten des Bayrischen Waldes überaus gedeihlich gewesen ist.
Die Burgherren, ob Falkensteiner, Salburger, Passauer Bischöfe oder Kaiser, haben ihre wichtige Aufgabe, die Rodung und Besiedlung der Waldgebiete voran zu treiben und den Menschen Arbeit zu ermöglichen, wahrlich ernst genommen.

1268 wurde "Rannarigl" erstmals erwähnt als Burg der Falkensteiner. Oftmaliger Besitzwechsel, Belagerungen der Burg und Kriege bestimmten das Schicksal durch die Jahrhunderte. Die umliegenden Dörfer wurden im 14. und 15. Jhdt. genannt. Sehr spät erst, 1509, der Ort "Neustüfft".
 
Die Rannariedler besiedelten das Land, gründeten Dörfer, errichteten 1610 die Reichenauer Glashütten, bauten zur Nutzung der Forste Schwemmkanäle zu Ilz und Mühl, erließen Jagd- und Forstgesetze für Förster und "Raumbreuter" (Häusler mit Nutzungsrechten) und kontrollierten den Salzhandel nach Böhmen an Mautstellen.  Das Gebiet erstreckte sich von Wildenranna bis Waldkirchen und zum Dreisesselberg.
Zur Verwaltungsarbeit wurden dort "Rannariedler Ämbter" errichtet.  Auch das Strafrecht wurde von Rannariedl wahrgenommen, denn seit 1575 hatte der Burgherr das Recht der Hohen Gerichtsbarkeit.  Am Galgen in Dorf konnten Missetäter gehenkt werden.  Besonders gegen Wilderer und Schmuggler erließ der Passauer Bischof strenge Gesetze.  Das Gerichtshäusl in Dorf könnte noch sicher manch schaurige Geschichte erzählen, denn dort hingen noch bis vor kurzem die eisernen Ringe in den Mauern, an die die Häftlinge gekettet waren. 

1765 wurde zwischen Kaiserin Maria Theresia und Fürstbischof Kardinal Leopold Ernst von Firmian ein bedeutender Vertrag unterzeichnet, welcher eine neue Westgrenze zwischen Oberösterreich und Bayern verfolgte.  Der reformbegeisterte Erzbischof wollte das Rannariedler Waldgebiet im Böhmerwald als eines seiner vielen Jagdgebiete erwerben.  Mit diesem Vertrag verlor Rannariedl seine Hoheitsgebiete im heutigen Landkreis Freyung, das Land um Rannariedl (= Gemeinde Neustift) kam an Österreich.  Ein wirtschaftlicher Rückschlag für Rannriedl, der nicht verhindert werden konnte, zumal der Bischof damals auch Eigentümer der Burg war, nachdem vorher die Salburger und Clamer ein Imperium von über 800 Untertanen aufgebaut hatten. 
 
1783 verwirklichte Kaiser Josef Il seinen Plan, in Linz eine eigene Diözese zu errichten, als der Passauer Erzbischof starb.  Die Schlosskapelle von Rannariedl wurde als Pfarrkirche für das neue österreichische Gebiet auserkoren.  Im Schloss war nun die Volksschule untergebracht; die Post, ein Gasthaus, ein Kaufhaus, die Kirche und der Friedhof bildeten ein wirtschaftliches Zentrum.  Trotz aller pfarrlichen Strenge gab es viele Menschen, die nicht nach Rannriedl zur Kirche gehen wollten, sondern nach wie vor in die bayrische Mutterkirche Gottsdorf Deshalb ließ Kaiser Josef  II an der neuen Staatsgrenze sonntags Soldaten aufstellen, um den Kirchgang nach Gottsdorf zu unterbinden.  So errichtete mancher Bewohner selbst eine eigene Gebetsstätte, wie die Kapelle am Penzenstein.
 
Wirtschaftliches und geistiges Zentrum des Gemeindegebietes war bis 1950 Rannariedl.  In der Schlosskapelle wirkte von 1814 - 1827 Pfarrer Philip Kogler als berühmter Beichtvater und Weissager, und in der noch erhaltenen Schule erblickte als Lehrersohn Bischof DDr.Kurt Krenn das Licht der Welt. 1950 wurden durch Schulneubau, Kirchenbau und Errichtung des Friedhofes in Pühret alle Bereiche der dörflichen Struktur dorthin verlegt und das einst so mächtige Schloss Rannariedl ist in einen Dornröschenschlaf gefallen.  Die landwirtschaftlichen Gründe sind weitgehend verkauft und das Kleinod im Donautal wartet noch auf einen Prinzen.