Einst erhoben sich unweit der Rannamündung gewaltige Felszacken aus der Donau. Sie galten als die gefährlichsten Hindernisse der Naufahrt, denn sobald sich ein Boot dieser Stelle näherte, begann die böse Nixe Ran die Wellen zu peitschen. Keinem Förgen glückte es mehrmals hintereinander, sein Boot sicher durch die Klippen zu steuern. Die böse Ran langte nach dem Schifflein und lenkte es an ein Riff, dass es dort krachend zerschellte und in der tosenden Flut versank. Hatte sie nun ihre Beute, gab sie wieder eine Zeitlang Ruh.
Ein junger Förg grübelte lange, wie er die Nixe besänftigen und dann sicher sein Boot durch die Felsklippen steuern könnte. Als er eines Tages mit einer schwerbeladenen Zille von Passau nach Linz aufbrach, nahm er ein Lämmlein auf die Fahrt mit. Die Rannamündung kam in Sicht. Die reißende Strömung zerrte das Boot in die aufgepeitschten Wellen. Da warf der Förg das Lamm über Bord. Kaum war es im brodelnden Strom versunken, legten sich die Wirbel, und das Boot gehorchte wieder dem Steuer. Der Nixe war das Opfer genehm, so kam das Schifflein heil durch die Klippen. Von nun an glückte dem Nauförgen jede Durchfahrt, denn er vergaß nie, das Schaf vorher zu opfern. Kein Wunder, dass ihm die Kaufleute große Summen zahlten, wenn er ihre Schiffe heil durch die Riffe brachte. Aber der Reichtum stieg ihm in den Kopf wie der Wein, mit dem er seine Fahrten feierte. In trunkenem Zustand verriet er das Geheimnis seines Erfolges. Während nun andere durch das Opfer die Nixe gut stimmten und glücklich durch die Klippen steuerten, unterließ er leichtsinnig, das Lamm zu opfern. Die Nixe Ran holte ihn samt seinem Schiff in die Tiefe.
Der Brauch, die böse Ran durch ein Opfer zu besänftigen, hielt sich viele Jahrhunderte.
Förg = Schiffsführer
Naufahrt = die Fahrt stromabwärts