Pfarrer Kogler erlöst arme Seelen
Mitternacht ist vorüber. Am Pfarrhof zu Rannariedl pocht jemand ungestüm an die Tür. Der Pfarrer öffnet das Fenster und fragt nach dem Begehr. „Der Johann in der Edt tat um d´ Wegzehrung bitten. Schlecht steht`s um ihn. Der Mesner ist b`stellt. Wir täten bitten, dass`s gleich kemmts!“ Beim Kirchentor erwartet ihn bereits der Mesner. Schweigend schreiten sie mit dem kostbaren Gut im blassen Schein der Laterne voran. Plötzlich bleibt der Pfarrer stehen. Auch der Mesner hält inne, weiß aber nicht, was dem Geistlichen ist. Ist er doch nicht so begnadet wie sein Pfarrherr und kann darum auch nicht so viel wie er ahnen und sehen. Pfarrer Kogler sieht durch die Nacht eine glühende Gestalt wanken, die eine ungeheure Last hinter sich herschleppt. Langsam nähert sie sich dem Priester. Nun erkennt er, dass das Gespenst eine Ackerfurche über dem Rücken trägt. Der Mesner sieht noch immer nichts. Die feurige Gestalt geht mit der Ackerfurche am Geistlichen vorbei ohne zur Seite zu schauen. Da steigt der Pfarrer auf die nachschleifende Furche. Wie angewurzelt steht das Gespenst still. Kogler fragt den Mesner: “Kennst du vielleicht den glühenden Alten?“ – „Wen? I siag niemand!“ meint der Mesner. Da legt der Pfarrer dem Gespenst die Stola auf die Schulter. Der Mesner erschrickt, denn nun kann auch er di feurige Gestalt sehen. „Leg die Furche dorthin, wo du sie geackert hast!“ befiehlt Kogler. Ein Zittern geht durch das Gespenst. „Vergelt`s Gott!“ schallt es gruftdunkel aus der Nacht. Der Feuerschein verblasst allmählich und der Flurschänder findet die ewige Ruhe.
Flurschänder = Wer durch das Versetzen der Marksteine zu Unrecht seinen Grundbesitz vergrößert.
Pfarrer Kogler von Rannariedl
Der Gugler- oder Koglerpfarrer aus Rannariedl war ein grobschlachtiger, jedoch heiligmäßiger Priester. Dem Aussehen nach ein „türmischer Kunt“, trug Schnallenschuhe, Kniehosen und einen langen Rock. Als Geisterbeschwörer, Beichtvater und Prediger war er weit und breit bekannt und berühmt. Doch in der Nähe des Predigtstuhles konnte sich niemand aufhalten, denn er brachte bis zu seinem Tode das Spucken beim Sprechen nicht mehr los, das ihm einmal der Teufel aus Rache angehängt hatte. Pfarrer Kogler war auch ob seiner Güte und Mildtätigkeit überall bekannt. Aber diese guten Eigenschaften versuchte er hinter der sprichwörtlichen Mühlviertler Derbheit zu verbergen. Er tat weit über den Bereich seiner Pfarre hinaus Gutes. Jeder konnte zu ihm um Rat kommen, denn er wusste weitaus mehr als alle übrigen Menschen der Gegend zusammen. Er sah die Dinge, die anderen verborgen blieben, und verstand Zeichen zu deuten, die dem gewöhnlich Sterblichen sinnlos erschienen. Es galt als sicher, dass Pfarrer Kogler übernatürliche Kräfte besaß. Eines Tages wurde er nach Wegscheid in Bayern zu Hilfe gerufen, denn ein Großteil des Ortes stand in Flammen. Kogler kam angeritten, breitete die Arme gegen den Himmel und mit einem Male fing es heftig zu regnen an. Ein Regenschauer prasselte nieder und die Feuersbrunst erlosch. Pfarrer Kogler wusste im voraus, wer mit seinen Sünden zu ihm unterwegs war. Als hervorragender Beichtvater geschätzt und bekannt, nahmen die Leute tagelange Wege auf sich, um von ihm die Lossprechung zu erhalten. Auch der Flenkelmüller aus Kollerschlag machte sich eines Tages auf den Weg zum Beichtvater Kogler nach Rannariedl. Als er eintrat, war gleich Koglers Frage: „Sawö bist net gestern kommen? Hätt dich erwart. Du bist ja am Weg gwesen!“ Erstaunt blickte ihn der Flenkelmüller an, denn er war wirklich schon am Vortag unterwegs nach Rannariedl. Beim Pederstorfer Wirt in Kappl aber hatte er sich „verknotzt“ und kam darum einen Tag später zur Beichte nach Rannariedl. Immer wieder überraschte er die Leute mit der Vorhersage, wer in den nächsten Stunden zur Tür hereinkommen werde. Ja, Pfarrer Kogler hatte Kräfte, die ihm nur der Himmel gegeben haben konnte. Eines Tages kam en armes Häuslweib zu Pfarrer Kogler. Größtes Ungemach war bei ihr eingekehrt. Nun klagte sie ihm, dass ihre letzte Kuh der Schindermichl geholt hatte und von den Nachbarn ihr niemand mehr Geld leihen wollte. In größter Not verfiel sie auf den Gedanken, die Lotterie wäre der letzte Ausweg, um wieder zu Geld zu kommen. Nun bat sie den Pfarrer, er möge ihr die Nummern angeben, die sicher ziehen würden. Da kam sie bei ihm recht an. Das Gespräch wickelte sich im ersten Stock des Pfarrhofes ab. Kogler, scheinbar wütend über das einfältige Wesen der Frau, schrie: „Wannst nit schnell schaust, dass du heimkommst, wirf i dich die 21 Stufen hinunter, dass dich viermal überschlägst. Dann probier, ob du deine sieben Zwetschken noch z`sannenbringst!“ Wie vom Blitz getroffen nahm die Alte reiß aus und schlich wie ein begossener Pudel nach Hause. Auf dem Heimweg ließ sie ein Fuhrmann aufsitzen. Weinend klagte sie ihm von der Abfuhr, die ihr der Geistliche erteilt hatte. „Kennst dich denn nit aus, der hat dir ja die drei Nummern g`sagt: 21, 4, 7!“ versicherte ihr der Fuhrmann. „Moanst wirklich?“ atmete die Alte hoffnungsvoll auf. Sie setzte diese Nummern in die Lotterie und.... gewann! Überglücklich erzählte sie allen, wie sie zum Treffer gekommen war. Pfarrer Kogler konnte sich kaum mehr der Leute erwehren, die von ihm Nummern erfahren wollten, die gewinnen. Er aber verriet sie nur an arme Leute Beim k.k. Lotto fiel bald auf, dass in der Gegend von Rannariedl viele Leute gewannen. Man ging der Sache nach und verbat dem Pfarrer die Hellseherei.
Pfarrer Philipp Kogler ist 1741 in Oberkappel geboren. Er war lange Zeit Kooperator in Pfarrkirchen im Mühlkreis. Sehr spät wurde er erst zum Pfarrer ernannt. Als Pfarrer von Rannariedl ist er auch dort 1827 im 86. Lebensjahr gestorben. Nach der Verlegung von Pfarrsitz und Friedhof in die Ortschaft Pühret wurde auch sein Grabmal dorthin verlegt. An der Friedhofsmauer ist seine Grabtafel zu sehen.
türmischer Kunt = ein großer, bärenstarker Mann
Schindermichl = Schinder aus Mühlholz bei Altenhof
sawö = warum
knotzen = sitzen
Kappl = Oberkappl